Hauchdünn und von der Rolle

Hauchdünn

Hauchdünn und von der Rolle

Völlig von der Rolle: Hauchdünnes, hochflexibles Glas von Schott

Der deutsche Glashersteller Schott hat ein Glas mit verblüffenden Eigenschaften entwickelt: Das staunenswerte Material ist halb so dünn wie ein Haar – und so biegsam, dass es sich aufwickeln lässt wie Frischhaltefolie.

Wie geht das denn?

Die chemische Zusammensetzung von ultradünnem Glas ist gar nichts so Besonderes: Auch diese Gläser bestehen aus Quarzsand mit ein paar Zusätzen. Tatsächlich lassen sich sogar unterschiedliche Glasmaterialien zu ultradünnen Bändern verarbeiten. Hochrein müssen die Ausgangsstoffe allerdings schon sein – dann kommt die Flexibilität automatisch, wenn das Material eine bestimmte Dicke unterschreitet. Die enorme Herausforderung liegt in der Herstellung der hauchdünnen Glasbänder.

Bei Schott hat man die Produktion so gemeistert: Das heiße Glas kommt mit honigartiger Konsistenz aus einer schlitzförmigen Düse und wird nach unten gezogen, bis die gewünschte Dicke erreicht ist. Im sogenannten Down-Draw-Verfahren entstehen kontinuierlich bis 500 Meter lange, etwa einen halben Meter breite ultradünne Glasbänder in Dicken zwischen 0,025 und 3,5 Millimeter, die langsam, unter kontrolliertem Luftdruck und kontrollierter Temperatur abgekühlt und anschließend auf Rollen gewickelt werden.

Aber warum bricht dieses hauchdünne Glas nicht sofort?

Natürlich können Dünnglas und Ultradünnglas genauso brechen wie normales Glas – und natürlich brauchen Sie dafür auch deutlich weniger Kraft als zum Zertrümmern einer Fensterscheibe. Trotzdem: Bei behutsamem Umgang ist das Material entschieden robuster, als man annehmen würde. Potentielle Schwachstellen sind die Kanten der Bänder. Die müssen mit Laser extrem glatt geschnitten werden, damit das Material nicht von der Seite her einreißt.

Das Geheimnis der Widerstandsfähigkeit von ultradünnem Glas liegt in seiner makellosen Oberfläche. Kratzer und Unregelmäßigkeiten im Glas sind gewissermaßen "Sollbruchstellen" – um sie zu vermeiden, darf das Glasband während der Produktion überhaupt nicht mit Werkzeugen oder anderen festen Oberflächen in Kontakt kommen. Eben deshalb wird es nicht gewalzt oder gepresst, sondern in dem oben beschriebenen Ziehverfahren produziert. Nur absolut perfektes, blasen- und fehlstellenfreies Glas passiert dann die Qualitätskontrolle – und diese makellose Oberfläche ist die Bruchversicherung des Materials.

Wofür wird ultradünnes Glas gebraucht?

Momentan wird das ultradünne aufgerollte Glas noch überwiegend auf Messen und in der Presse bestaunt. Die ersten Premium-Smartphones verwenden es bereits für ihren Fingerabdrucksensor. Aber die großen und spannenden Anwendungen für das Science Fiction-Material liegen in der nahen Zukunft. In mehreren Kooperationen, etwa mit Klebebandhersteller Tesa, forscht Schott daran, wie ultradünnes Glas für die verschiedensten Zwecke fit gemacht werden kann.

Dank seiner hervorragenden Eigenschaften (absolute Gas- und Wasserdichtheit auch in dünnsten Schichten, extreme Temperaturbeständigkeit, bestmögliche chemische und Langzeitbeständigkeit, sehr guter elektrischer Isolator) wird das Material wohl bald in vielen Anwendungen die heute verwendeten Kunststoffe beziehungsweise Silizium ersetzen: unter anderem als Platinenbasis und/oder Abdeckung für elektronische Bauteile wie Prozessoren oder Datenspeicher, oder in winzigen Batterien.

Direkt von der Rolle könnte das Glas gleich meterweise mit Schaltungen bedruckt und mit OLEDs (organischen lichtemittierenden Dioden) oder sogar Solarzellen beschichtet werden ... auf dem Weg zum biegsamen Display, oder zu smarten, energiegenerierenden Oberflächen.

Die Konkurrenz abgehängt

Schott ist optimistisch, dass die Möglichkeiten des Materials mit dem 0,025 Millimeter dünnen Glas noch nicht ausgereizt sind: Momentan arbeitet man auf Dicken von 0,001 Millimeter hin. Damit hat der Mainzer Hersteller die Nase vorn: So weit sind die Dünnglas-Konkurrenten von Gorillaglas-Hersteller Corning (Willow-Glas, ab 0,1 Millimeter) und dem japanischen Glashersteller Asahi (Dragontrail, ab 0,5 Millimeter) noch lange nicht.

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