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Dass Glas durchsichtig ist - daran sind wir so gewöhnt, dass wir nicht mehr darüber staunen. Aber wie kommt es eigentlich, dass ein für Wind, Regen und Hagel undurchdringliches Material den Blick auf das, was dahinter liegt, so ungehindert frei gibt?
Zunächst: Das Glas der Ägypter und alten Römer war alles andere als transparent. Erst den Venezianern gelang es, die Ausgangsstoffe für die Glasherstellung so zu reinigen und den Herstellungsprozess so zu perfektionieren, dass ein von Verunreinigungen, Trübungen und Gaseinschlüssen freies Glas entstand. Und auch dieses hochreine Glas wird erst wirklich durchsichtig, wenn man seine Oberflächen perfekt glättet. Glas, das durch Einschlüsse getrübt oder durch eine raue Oberfläche undurchsichtig ist, findet als Milchglas, Riffelglas oder satiniertes Glas überall da Verwendung, wo zwar eine hohe Lichtdurchlässigkeit, aber eben keine Durchsichtigkeit gewünscht sind ... zum Beispiel in der Duschkabine. Solche transluzenten Gläser lenken Lichtstrahlen ungeordnet hierhin und dorthin ab, so dass wir uns kein Bild mehr von dem machen können, was hinter der Scheibe ist.
Aber ein Stück Metall ist auch glatt und hochrein - und trotzdem nicht durchsichtig. Und Holz oder Stein können Sie polieren, soviel sie wollen, es wird keine Fensterscheibe daraus. Das Besondere an Glas und anderen durchsichtigen, glasartigen Materialien ist, wie ihre Atome mit Lichtstrahlen - also Photonen, fliegenden Energieportionen - wechselwirken. Oder vielmehr nicht wechselwirken. Vielleicht hat Ihnen mal jemand erzählt, dass zwischen den Atomen von Glas besonders viel Platz für das Licht wäre. Das ist Quatsch. Aber mit Lücken hat die Durchsichtigkeit von Glas tatsächlich zu tun. Nur nicht mit räumlichen Lücken - sondern mit Energielücken. Sicher erinnern Sie sich daran, dass der Kern jedes Atoms wie eine kleine Sonne von Elektronen-Planeten umgeben ist, die auf unterschiedlichen Energieniveaus "kreisen". Zwischen diesen Energieniveaus können die Elektronen hin- und herwechseln. Für den Sprung auf ein bestimmtes höheres Energieniveau braucht ein Elektron eine ganz bestimmte Energieportion. Trifft nun ein Photon auf dieses Elektron, das genau diese Energieportion mitbringt, gibt es seine Energie an das Elektron ab: Es wird absorbiert. Und ist damit erst einmal verschwunden. (Abschweifung: Abhängig vom Stoff können nach der Absorption mit zeitlicher Verzögerung Photonen anderer Wellenlängen freigesetzt werden, wenn das Elektron mit "Zwischenstopps" auf anderen Energieniveaus wieder in den Ausgangszustand zurückgelangt. Das passiert besonders eindrucksvoll bei fluoreszierenden Materialien. Typischer ist die Umwandlung von Lichtenergie in Wärme: Dann werden Photonen im Infrarotbereich abgegeben. Ende der Abschweifung.) Ein Photon, dessen Energieportion nicht der für den Elektronensprung benötigten Energie entspricht, wird dagegen nicht absorbiert und setzt seine Reise durch das Material unbeeinträchtigt fort. Zwischen den besetzten Energieniveaus und den unbesetzten höheren Energieniveaus, zu denen Elektronen springen könnten, gibt es in der atomaren Struktur von Glas & Co. eine breite Lücke. Photonen aus dem Bereich des sichtbaren Lichts haben nur Energieportionen, die zu klein sind, um diese Lücke zu überbrücken. Daher passiert violettes, blaues, grünes, gelbes, oranges und rotes Licht Glas (fast) ungeschwächt. Anders sieht es für energiereichere Strahlung aus: Für Photonen aus dem UV-Bereich ist Glas sozusagen eine Steinwand. Da UV-Licht für uns ohnehin nicht sichtbar ist, merken wir davon unmittelbar nichts. Aber deshalb bekommen Sie jedenfalls hinter einer Glasscheibe auch keinen Sonnenbrand.
Übrigens ist Durchsichtigkeit auch eine Frage der Dicke. Nanodünne Metallschichten können sehr wohl transparent sein. Und andererseits absorbiert auch Fensterglas einen kleinen Anteil des sichtbaren Lichts. Mit wachsender Dicke wird sogar eine Glasscheibe irgendwann tatsächlich undurchsichtig. Unter anderem deshalb bestehen die dicken Scheiben der riesigen Wassertanks großer Schauaquarien (wie bei Sealife) aus Acrylglas. Das ist nämlich um ein paar entscheidende Prozentpunkte transparenter: Durch 30 Zentimeter Fensterglas wäre vom Treiben der Fische nicht mehr viel zu sehen.
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